Landgericht Berlin
Dienstag, 16.08.2022 (weggefallen)
Neuer Termin: Dienstag, 23.08.2022
11.30 Uhr
Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin
Sitzungssaal 143, 1. Etage
Widerspruchsverhandlung
in dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Gerichtliches Aktenzeichen: 27 O 103/22
Reinhard Fischer ./. Mika C. Nixdorf
Mit
Moritz Quecke und

seiner Mandantin
"A. Die Antragsgegnerin hat nicht die „Unechtheit“, sondern die „Unrichtigkeit“ des Zustellprotokolls behauptet."
Der Antragsgegnerin geht es um Machtkritik und ihren „Kampf ums Recht“
Die Kriterien der Verdachtsberichterstattung sind als Regulativ ersichtlich ungeeignet, wenn die von einem (möglichen) rechtswidrigen bzw. strafbaren Verhalten (möglicherweise) betroffene Person den Tatvorwurf selbst in die Öffentlichkeit trägt.
Nach der Rechtsprechung des BGH gilt für die Verdachtsberichterstattung:
„Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst ‚Öffentlichkeitswert‘ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.“
Mit der möglichen Ausnahme eines Mindestbestandes an Beweistatsachen (dazu noch unten, unter 3.) ist keine dieser Anforderungen geeignet, einen sachgerechten Rechtsgüter- und Interessenausgleich herzustellen, wenn die von einer rechtswidrigen Tat (möglicherweise) betroffene Person selbst in öffentlich zugänglicher Weise einen Tatvorwurf erhebt. Einer Person, die öffentlich behauptet, von der rechtswidrigen (strafbaren) Tat eines Dritten betroffen zu sein, kann nicht zugemutet werden, von einer „Vorverurteilung“ des Dritten abzusehen. Sie müsste dann den Vorwurf, von einer rechtswidrigen (strafbaren) Tat des Dritten betroffen zu sein, von vornherein relativieren und unter Vorbehalt eines rechtskräftigen Gerichtsurteils stellen. Das könnte aber zugleich ihre eigene Glaubwürdigkeit bzw. die Glaubhaftigkeit ihrer eigenen Bekundungen, etwa aus Sicht des Tatrichters, beschädigen. Es wäre auch eine untragbare psychisch-mentale Zumutung, dem Tatopfer abzuverlangen, die eigene Wahrnehmung von tatrelevanten Umständen oder der Tat selbst nicht auch öffentlich als ihr Erleben zum Ausdruck bringen zu dürfen, sondern unter eine Art „Richtervorbehalt“ zu stellen.
Noch augenfälliger ist die Ungeeignetheit des Erfordernisses, von dem mutmaßlichen Täter vor der Veröffentlichung des Tatvorwurfs eine Stellungnahme einzuholen. Es liegt auf der Hand, dass dem (möglichen) Tatopfer dies nicht zugemutet werden kann. Das dritte Kriterium schließlich zeigt am deutlichsten, dass die Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung die Berichterstattung von Presseorganen als unbeteiligte Dritte und als Informationsquelle für die Allgemeinheit zum Gegenstand hat, nicht aber Veröffentlichungen des (möglichen) Tatopfers selbst. Eine Person, die behauptet, von der rechtswidrigen bzw. strafbaren Tat eines Dritten betroffen zu sein, muss vor der öffentlichen Erhebung eines Tatvorwurfs nicht prüfen, ob die Tat objektiv gravierendes Gewicht hat und an ihr ein Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht. Sie darf die Öffentlichkeit gerade suchen, um ein solches Interesse überhaupt erst zu erzeugen. An die Öffentlichkeit wird sie damit vernünftigerweise nur gehen, wenn dies ihrem Streben nach Herstellung von Recht und Gerechtigkeit förderlich sein kann und damit verbundene Mühen, Kosten und Risiken angesichts der subjektiven Schwere der Tat tragbar erscheinen.
Die Antragsgegnerin, die als Prozesspartei [...] selbst betroffen ist, darf somit hinsichtlich ihrer Äußerungen nicht wie ein Presseorgan behandelt werden. Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Kammer auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin in ihren Veröffentlichungen das Personalpronomen „wir“ verwendet. Sie gibt damit bei zutreffender Sachverhaltswürdigung nicht vor, dass ihre Publikationen Ergebnis der Arbeit einer mehrköpfigen Redaktion sind. Ersichtlich spricht die Antragsgegnerin von sich selbst in der Mehrzahl, um ihren Äußerungen mit dem rhetorischen Mittel des pluralis majestatis größeres Gewicht zu verleihen. Das ist eine legitime Form kommunikativen Handelns, erst recht in der hier gegebenen David-gegen-Goliath-Situation. Bekanntlich ist der Rechtsstreit mit dem Antragsteller nur ein Einzelschauplatz einer größeren Auseinandersetzung mit der evangelischen Luisen-Kirchengemeinde, die Teil der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist, die wiederum Teil der Evangelischen Kirche Deutschlands ist. Anders als David kämpft die Antragsgegnerin nicht mit einer Steinschleuder, sondern mit Wort und Verstand.
[...]
Die Antragsgegnerin übt zugleich Machtkritik. Kritik an Kirche und Staat. Kritik an Vertretern einer Kirchengemeinde und an Richtern in Roben. Sie darf auch hierfür die Öffentlichkeit suchen. Sie muss sich nicht darauf verlassen, die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG) werde eine effektive Kontrolle richterlichen Handelns und Unterlassens bewirken. Denn bekanntlich ist darauf kein Verlass. Die durchschnittlichen Besucherzahlen in Gerichtsverhandlungen liegen noch unter denen evangelischer Kirchen. In den meisten Gerichtsverhandlungen erscheint niemand außer den Richtern, den Parteianwälten und manchmal den Parteien (Parteivertretern) selbst. Ausnahmen gibt es bei besonderem Allgemeininteresse, das Gros der Verfahren aber entgeht dem Radar der medialen Öffentlichkeit. Die Vertreter der dritten Gewalt unterliegen in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten, in denen sowohl Gerichtsakten als auch Gerichtsverhandlungen für jeden Interessierten online zugänglich sind – im Wesentlichen einer Selbstkontrolle durch ihresgleichen. Völlig verständlich, dass die Antragsgegnerin sich auch darauf nicht verlassen will.
[...]
Im Hinblick auf die entgegen § 134 ZPO noch nicht erfolgte Vorlage des Originals des Zustellprotokolls behaupten wir ferner, was folgt:
• Das Original des bislang stets nur in „Ablichtung“ bzw. als „Ausdruck“ (so der Antragsteller, s. Nr. 26 der Tabelle) vorgelegten Kittelmann-Zustellprotokolls existiert nicht.
• Sofern ein Original des Zustellprotokolls existiert, stammt die darauf aufgebrachte Unterschrift – wie nunmehr erstmals zusätzlich behauptet wird – nicht von Herrn Kittelmann.
• Sofern ein Original des Zustellprotokolls existiert, weist das Papier keine Falzkanten und auch keine Gebrauchsspuren oder Alterungserscheinungen auf, wie sie nach postalischer Übermittlung und Verwendung bzw. Lagerung über einen Zeitraum von mittlerweile über drei Jahren zu erwarten wären.
• Sofern ein Original des Zustellprotokolls existiert, ist es nicht auf dem von der Kanzlei Heilmann Kühnlein Rechtsanwälte am 17. Juni 2019 verwendeten Papier, sondern auf dem in der Kanzlei von Rechtsanwalt Epping am 17. Juni 2019 verwendeten Papier ausgestellt worden.
• Sofern ein Original des Zustellprotokolls existiert, ist der Vordruck nicht mit einem Drucker der Kanzlei Heilmann Kühnlein Rechtsanwälte erzeugt worden, sondern mit einem Drucker der Kanzlei von Rechtsanwalt Epping.
• Sofern ein Original des Zustellprotokolls existiert, ist es nicht am 17. Juni 2019, sondern erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 ausgedruckt und ausgestellt worden.
gez. Moritz Quecke
Rechtsanwalt und Partner
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